Lehre: Zukunft der dualen Ausbildung nach COVID-19

  • Vier von zehn Betrieben berichten, dass sich bei ihnen während der Coronapandemie weniger Personen um eine Lehre bewerben als im Vorjahr. Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf die Lehre? Ein Stimmungsbild bei der dualen Ausbildung. 97 Prozent der Unternehmen sehen die Lehrlingsausbildung als wichtig oder sehr wichtig für das eigene Unternehmen an. Sie klagen jedoch schon seit geraumer Zeit über zu wenig Fachkräftenachwuchs, die Lehrstellen-Situation ist angespannt: Geburtenschwächere Jahrgänge folgen, außerdem steht der Ausbildungsmarkt durch Entwicklungen wie Akademisierung und strukturellen Wandel unter Druck. Nun kam noch die Coronakrise hinzu. Sie wirkt sich auf mehreren Ebenen auf die Situation bei der dualen Ausbildung aus.

Stimmung unter den Jugendlichen

  • Die Coronakrise verunsichert junge Menschen zunehmend. Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung im Frühjahr 2021 beklagen zwei von drei Jugendlichen in Deutschland, dass sich ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt durch Corona verschlechtert haben. Ein ähnliches Bild gibt es auch in Österreich: 70 Prozent der vom Market Institut im Jänner 2021 befragten Schülerinnen und Schüler sind der Ansicht, dass die Suche nach einer geeigneten Lehrstelle schwierig ist. Viele Jugendliche fragen sich, ob eine Ausbildung als Lehrling unter den derzeitigen Bedingungen überhaupt Sinn macht. Laut einer Studie des deutschen Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) suchen Jugendliche in Krisenjahren nach Ausbildungsalternativen. Sie bleiben länger im Schulsystem. Viele wollen sich jetzt auch nicht auf einen Beruf festlegen, in dem die Beschäftigungsaussichten aktuell unsicher sind.

Gibt es ausreichend Lehrstellen?

  • Unter Schülern, Eltern und Lehrern herrscht die Annahme, dass es zurzeit keine guten Chancen gäbe, sich erfolgreich für eine Lehrstelle zu bewerben, so „zukunft.lehre.österreich“. Dabei stehen aber nach Angaben dieser Initiative kurz- und mittelfristig über 18.000 Lehrstellen frei. Die Unternehmen würden händeringend um Lehrlinge werben. Vier von zehn Unternehmen gaben an, dass sie im Vergleich zum Vorjahr aktuell spürbar weniger Lehrstellenbewerbungen erhalten.

Qualität der Ausbildung in Pandemie-Zeiten

  • Die Krise drückt vielerorts auch die Qualität der Ausbildung. Viele Jugendliche haben etwa die Hälfte ihrer Ausbildung in Pandemiezeiten absolviert. In Zeiten von Kurzarbeit und Homeoffice ist eine geregelte Ausbildung schwierig. Pointiert ausgedrückt: Wo nicht gekocht wird, kann man auch nicht kochen lernen.

Berufsorientierung stark eingeschränkt

  • Die Jugendlichen konnten viel schwerer erreicht werden. Die wichtigsten Informationsquellen bei der Lehrstellensuche sind laut der Umfrage des Market Instituts unter Jugendlichen, Eltern und Lehrern Schnuppertage bei Betrieben (85 Prozent), Berufsinformationsmessen (82 Prozent) und der Besuch von Betrieben in der Region (82 Prozent). Diese waren – wenn überhaupt – nur limitiert und unter strengen Corona-Auflagen möglich. Durch Distance-Learning ist der Kontakt zu den Schülern verloren gegangen. Das Problem beim Übergang von der Schule in die Berufswelt hat sich dadurch verschärft. Auf die Frage, wo sie bei der Suche nach einer Lehrstelle am meisten Unterstützung finden, verweisen zwei Drittel der Jugendlichen auf ihre Eltern. Im Gegensatz zu den anderen Angeboten sind diese auch in Corona-Zeiten verfügbar.

Vergleich mit der Finanzkrise

  • Die Gesamtzahl der Lehrlinge in Österreich nahm zwar nur gering (0,6 Prozent) auf etwa 108.400 (Stand Ende 2020) ab, es befinden sich aber um 5,6 Prozent weniger Lehrlinge im ersten Ausbildungsjahr. Experten sehen Parallelen zur Finanzkrise 2008/2009; auch damals sank die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge – und das alte Niveau konnte nach der Krise nicht wieder erreicht werden. Aufgrund der Entwicklungen in der Coronakrise besteht die Gefahr, dass sich der Facharbeitermangel in den kommenden Jahren verschärfen wird. Mit einigen Maßnahmen soll die Ausbildung attraktiver gemacht werden:

    • Lehrberufe sollen laufend modernisiert werden.
    • Die Regierung will verstärkt AHS-Absolventen, Frauen und Erwachsene motivieren, in die Lehre zu gehen. 
    • Laut einer Studie von zukunft.lehre.österreich wünscht sich die Mehrheit der Jugendlichen mehr Berufsorientierung und Schnuppermöglichkeiten.
    • Beim Image der Lehre besteht weiterhin Handlungsbedarf. Laut einer Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) stimmen 97 Prozent der befragten Unternehmen der Aussage zu, dass die gesellschaftliche Aufwertung der Lehre verbessert gehört. Ein Beispiel: Laut zukunft.lehre.österreich ist das Lebenseinkommen von Lehrlingen in der Industrie oft gleich hoch wie oder höher als jenes von Akademikern. Hier gelte es, mehr Bewusstseinsbildung zu betreiben.

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